
Der Geschichte ein Gesicht geben
Am Dienstagabend fand im Gemeindesaal der katholischen Kirche St. Josef in Dingolfing eine berührende Lesung statt. Die katholische Erwachsenenbildung (KEB), die Bürgerinitiative „Dingolfing ist bunt" sowie die Gesellschaft für Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit in Niederbayern (GCJZ) hatten gemeinsam eingeladen. Den Kontakt zum Autor hatte Stefan Ramoser, Geschäftsführer der KEB Dingolfing-Landau, hergestellt und so reiste Ralph Walta aus Coburg an. Er las aus seinem Buch „Der Onkel, den ich nie kennenlernte - oder das Trauma meiner Familie".
Er ging dabei der Frage nach, wie das Leben der Familie seines Vaters so nachhaltig in den nationalsozialistischen Jahren zerstört werden konnte. Auslöser war für ihn der während einer Bundestagsdebatte so unsäglich geäußerte Begriff, dass diese dunklen Jahre der Geschichte Deutschlands doch nicht mehr Bedeutung hätten als ein „Vogelschiss". Ralph Walta traf diese Aussage ungemein. Er hatte einen Vater, den er verschlossen, in sich gekehrt und pessimistisch empfand und als dieser verstarb, begann er zu fragen. Damals noch als Teenager erhielt er nur vage Antworten. Es ging um Rassengesetze, Diskriminierung und Verfolgung. Seine jüdische Großmutter, im Rahmen ihrer Eheschließung zum Katholizismus konvertiert und eine jüdische Tante waren dem NS-Regime Grund genug die Familie systematisch zu verfolgen. Ralph Walta begann zu recherchieren und stieß auf ungeheuerliche Grausamkeiten, die seinen Großeltern und deren Kindern angetan worden waren.
Neun Familienmitglieder starben in Konzentrationslagern. Die Großmutter und sein Vater überlebten.
Dies prägte die Familie, bis heute.
Jüngere Forschungen haben ergeben, dass Traumata durchaus vererbbar sind. Dies bezieht sich nicht nur genetische Merkmale sondern auch auf erlittene Erfahrungen. Ralph Walta versteht nun im Nachhinein seinen Vater und auch er selbst trägt noch daran. Solche Bürden lassen sich nicht einfach abschütteln.
Die zahlreichen Zuhörer folgten gebannt den Ausführungen. Im Anschluss stellte sich der Autor noch den vielen Fragen.
